Ende gut, alles gut!
Bdsm und das Ende der Spiele
BDSM ist eine sexuelle Spielart voller Inszenierungen. Ein stimmungsvolles Ambiente wird beinahe vorausgesetzt – sei es in einem rustikal anmutenden Keller, in einer mit allerlei Geräten ausgestatteten Kammer, in einer Ruine oder im mit Kerzen geschmückten Wohnzimmer. Die Beteiligten müssen sich auf die Szene einstellen können, aus dem Alltag – mit all seinen Belanglosigkeiten, nervenden Details oder handfesten Problemen – in eine Stimmung versetzt werden, die ihnen ermöglicht, das geplante Geschehen zu genießen. Dieser Übergang wird von den meisten Akteuren sehr genau geplant und mit manchmal beinahe künstlerischer Brillanz in die Tat umgesetzt. Viele verschwenden jedoch keinen Gedanken an das Ende, welches ebenso wichtig ist wie der Beginn, da man praktisch von einer außergewöhnlichen in die gewöhnliche Welt zurückfinden muss, möglichst harmonisch und ohne abrupten Übergang, der die Empfindungen der letzten Stunden sofort wieder ausradiert.
Die einfachste und gleichzeitig auch schäbigste Möglichkeit wäre es, als aktiver Part den Sklaven/die Sklavin loszubinden, aus dem Käfig zu lassen oder von Nadeln, Klammern, Plugs und sonstigen Gegenständen zu befreien – und dann den Schauplatz der Handlungen zu verlassen. Begeisterungsstürme wird dieser Ansatz sicherlich nicht auslösen, somit sollte er auch nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden, wenn jemand noch die geringsten menschlichen Regungen in sich spürt.
Entscheidend ist es vor allem, den Sklaven/die Sklavin (bleiben wir der Einfachheit halber bei dieser Bezeichnung für den devoten und/oder masochistischen Part) genau zu kennen und zu wissen, wie diese Person reagiert, bei welchen Praktiken und welcher Intensität sie physisch und psychisch an ihre Grenzen gelangt und wie es für sie am einfachsten ist, aus der Welt des BDSM wieder in die ihrer unmittelbaren Umgebung zu finden. Bemerkt man, dass ein Limit erreicht wurde und keine Steigerung mehr möglich ist, kann man nach und nach das Spiel in sanftere Bahnen lenken. Man stellt den Rohrstock zum Beispiel in die Ecke und setzt stattdessen die Hand ein, um nicht einfach abrupt aufzuhören. Man lockert die Fesseln, lässt eine bequemere Haltung zu, entfernt Masken, Augenbinden oder Knebel und zeigt damit an, dass die härteste Gangart vorüber ist. Es ist auch durchaus nicht verkehrt, das Gegenüber zu streicheln und zu liebkosen oder „normalen“ Sex zu vollziehen, um die Strenge der vergangenen Stunden langsam aber sicher in beschaulichere Bahnen zu lenken.
Viele Menschen gehen davon aus, dass Masochisten oder Devote ihre Rolle ja ohnehin lieben und es daher unnötig ist, sie nach einem Spiel aufzufangen, mit ihnen zu kuscheln und sie zärtlich zu behandeln. Dabei vergessen sie jedoch, welch psychischer Kraftakt es sein kann, mehrere Stunden gefesselt, geknebelt und mit Augenmaske vollkommen hilflos dem Peiniger ausgeliefert zu sein – egal wie groß die Liebe und das Vertrauen in diese Person auch sein mögen.
Das Aufhören, so sagt man jedenfalls beim Schreiben, ist schwieriger als das Beginnen. Das muss jedoch nicht sein. Allerdings ist es auch nicht von Vorteil, sich einen Plan zurechtzulegen und diesen dann stur durchzuziehen, egal was passiert. Man darf nie den Kontakt zum Partner verlieren und über ihn hinweg agieren, als wäre er nur ein Objekt – selbst wenn er dies im Spiel in diesem Moment auch wirklich sein sollte. BDSM ist eine sehr emotionale und tief gehende sexuelle Variante, die, wenn eine Situation ungelöst oder unaufgearbeitet bleibt, Ängste oder sogar seelische Konflikte auslösen kann. Die psychische Gesundheit des Gegenübers sollte jedem dominanten Part wichtig genug sein, um das Ausklingen einer Session auch wirklich ernst zu nehmen und auf die jeweiligen Befindlichkeiten zu achten.
Leider gibt es keine Regeln, wie ein Spiel beendet werden muss, um ein sanftes Übergleiten in den Alltag zu gewährleisten. Manche Paare schaffen sich Rituale, die ihnen dabei helfen, das Ende einer Session herbeizuführen. Das Halsband wird abgenommen, die Sklavin von Fesseln befreit oder auf das Bett gelegt. Möglichkeiten gibt es hier viele, die immer auch sehr von den Bedürfnissen der Beteiligten und natürlich den allgemeinen Gegebenheiten abhängen. Wenn man sich mit seinem Partner/seiner Partnerin eingehend beschäftigt, findet man bald heraus, was er oder sie in diesen Momenten braucht, um sich wohlzufühlen. Im Grunde geht es darum, den devoten/masochistischen Part mit seinen aufgewühlten Gefühlen nicht allein zu lassen. Denn auch in einer normalen Beziehung steht man nach dem Koitus ja nicht einfach auf, zieht sich an und verlässt mit einem „Bis zum nächsten Mal!“ das Schlafzimmer.
Ein Spiel richtig zu beenden, ist eine Herausforderung, der man sich stellen muss, wenn man BDSM verantwortungsbewusst und für beide Seiten lustvoll gestalten will. Halten Sie sich also nicht an den Schlusssatz einer Geschichte von Peter Altenberg: „Irgendwie wird es schon enden.“ Ihr Spiel gewinnt durch einen harmonischen Übergang an Substanz. Und diese Substanz wird auch im Alltag spürbar sein.