Beziehungs-Tüv

Jede dritte Ehe in Deutschland wird nicht durch den Tod geschieden. Langeweile, Überdruss oder permanente Unstimmigkeiten sind es, die ihn oder sie die Koffer packen lassen. In den meisten Fällen ist das sogar vorhersehbar. Und zwar wenn man auf dem Weg zum Altar beim Ehe-Tüv vorbeischaut. Über 4000 Paare haben sich in Deutschland schon checken lassen.
Heiraten ist eine relativ unkomplizierte Angelegenheit. Man geht zum Standesamt, erledigt ein paar Formalitäten und zum schönsten Tag des Lebens lädt man dann ein paar Freunde und Verwandte ein. Fertig ist die Ehe. Manchmal ist sie dann leider wirklich schon fertig, bevor sie richtig angefangen hat. Denn immer mehr Paare werfen schon nach kurzer Zeit das gemeinsame Handtuch. In Deutschland wird sogar jede dritte Ehe geschieden. Dr. Andreas Bochmann kennt die Zahlen. Er ist verantwortlich für die wissenschaftliche Begleitung des PREPARE/ENRICH-Programms in Deutschland (engl. prepare = vorbereiten; enrich = bereichern)."Wir hätten weit weniger Scheidungen zu verzeichnen", erklärt der Ehe- und Lebensberater, "wenn sich Paare wirklich intensiv mit ihrer Beziehung beschäftigen würden, bevor sie zum Standesamt gehen." Doch viele glauben, dass sich die unterschwelligen Probleme im Laufe der Jahre von alleine einrenken. Oder sie halten sich für übertrieben sensibel, was genauso falsch ist.

Gemeinsam mit knapp 1000 freien Eheberatern, Seelsorgern und Therapeuten haben Bochmann und seine Frau Carol deshalb eine Art deutschen Beziehungs-Tüv eingeführt. Wer den besteht, der braucht keine Angst vor der Ehe zu haben, nicht mal vor dem verflixten siebten Jahr. Zu 165 Aussagen gibt man dazu seine Ablehnung oder Zustimmung ab. Wer zum Beispiel den Satz unterschreibt: "Ich fühle mich unwohl bei dem Gedanken, von meinem Partner nackt gesehen zu werden", sollte sich zu seiner Sexualität noch ein paar Gedanken machen. Meist verstecken sich die Probleme aber etwas listiger. Auf Basis der Auswertung lässt sich im Gespräch trotzdem erörtern, ob vielleicht ein uneingestandenes Rollenbild der Beziehung im Weg steht. Oder man merkt, dass der Partner völlig andere Vorstellungen vom Geldverdienen und -ausgeben hat, als man selbst.

Für die Prüfplakette, die natürlich ohnehin nicht erteilt wird, reicht ein gemeinsames Hobby also in der Regel nicht. "Mitunter stellen Paare sogar fest, dass ihre Familienstrukturen und ihre Vorstellung von der Gründung einer eigenen Familie auf verdeckte Weise einer glücklichen Beziehung im Wege stehen", erklärt Bochmann. Abraten würde er von einer Beziehung deswegen nicht. "Das ist nicht Sinn und Zweck von PREPARE. Aber es gibt Paare, die selbst noch einmal ins Grübeln kommen und Heiratspläne in Frage stellen, verschieben oder sogar aufgeben." Wer sich und seinen Partner also richtig auf Nieren und vor allem aufs Herz testen will, sollte sich ruhig zum Beziehungs-Tüv trauen. Wenn es schief geht, hat man nur 20 Euro und ein paar Spesen für den Berater bezahlt. Und im Vergleich zu einem Scheidungsanwalt sind das wirklich Peanuts.