Zukunft der Liebe
Auf den ersten Blick setzt das alle evolutionstheoretischen Ansätze außer Kraft. Wissenschaftler gehen allerdings davon aus, dass das Internet auf Dauer zu unpersönlich und die Gentechnik zu kalt ist, um eine große Zahl von Frauen und Männern begeistern zu können. In der guten alten Zeit war alles ganz klar und einfach: Der Mann hatte ein Mädchen ins Auge gefasst, dann die Eltern um Erlaubnis gebeten und dann ein Rendezvous vereinbart. Wenn alles gut lief, wurde irgendwann geheiratet und dann der Nachwuchs gezeugt.
Heute ist die Romantik flöten gegangen. Da wird per Computer im Chat geflirtet und die Babys kommen aus der Retorte. Statt zufällig auf einer Party, trifft man sich neuerdings im Chatroom. Der virtuelle Flirt per Computer verheißt eine riesige Zahl potenzieller Partner. Die Liebesbeziehung der Zukunft könnte vor dem Bildschirm stattfinden. Tatsächlich zeigen wissenschaftliche Studien aber, dass bislang nur wenige allein auf diese Form der Partnersuche setzen. Es sind vor allem junge Menschen, aber auch bestimmte Randgruppen in unserer Gesellschaft, die sonst Probleme haben, Räume zu finden, um sich einfach kennen zu lernen. Beispielsweise sind das Personen, die einfach schüchtern sind oder schwer mit anderen in Kontakt kommen - aber auch Homosexuelle. Natürlich ist das, was im Netz beim ersten Kennenlernen eine Rolle spielt, etwas ganz anderes als in der Disco. Da spielt die soziale Kompetenz eine Rolle. Beim Chatten muss man witzig sein, schnell genug tippen können und nicht in erster Linie gut aussehen und sich trauen.
Diese Aspekte des klassischen Kennenlernens fallen natürlich weg. Der Zukunfts-Sex könnte dann so aussehen, dass Mann und Frau verkabelt vor dem Computer sitzen. Das gemeinsame Erlebnis findet nur noch virtuell statt - alles nur Spekulation sagen Soziologen. Sie glauben, dass die einseitige Wirkung von Technik auf die Menschen überschätzt wird. Bislang sind alle Versuche gescheitert, Ganzkörperanzüge mit Sensoren auszustatten, um Cybersex auch körperlich fühlbar zu machen. Studien beweisen: Die meisten Internet-Beziehungen führen rasch weg vom Cyberspace zu einem persönlichen Treffen.
Dank Gentechnik könnten sich Paare das perfekte Baby im Genlabor basteln lassen. Ob Gesundheit oder sportlicher Ehrgeiz - alles hängt nur vom nötigen Kleingeld ab. Fortpflanzen könnten wir uns dann - rein theoretisch - auch ohne körperlichen Kontakt. Partnerschaft wäre gar nicht mehr notwendig. So stellen sich das zumindest amerikanische Gentechnik-Visionäre vor. Die Frau der Zukunft, meinen sie, könnte dann ganz alleine ihren Nachwuchs planen - egal, wie alt sie ist. Eine rechtzeitig eingefrorene Eizelle könnte jederzeit hervorgeholt werden - ebenso wie die Samenzelle eines unbekannten Spenders. Einen Mann bräuchte Frau dazu nicht mehr. Nur einen guten Arzt, der die Zeugung unterm Mikroskop vornimmt. Sieht so die schöne neue Zukunftswelt aus?
Das sind Möglichkeiten, die technisch vorstellbar sind, aber von Wissenschaftlern eher unter dem Aspekt der Behandlung von Krankheiten gesehen werden. Auf der Fahrt in die Zukunft hätte Frau die Nase vorne - prognostizieren zumindest manche Zukunftsforscher. Eine Familie wäre auch ohne ihn möglich. Ob sich das in der Gesellschaft auch durchsetzen wird, ist heftig umstritten. Schließlich ist der Mensch ein Geschöpf mit Gefühlen und die künstliche Befruchtung schon heute für viele nur die zweitbeste Lösung. Denn es ist natürlich der weniger angenehme, der weniger gemeinsame und weniger intime Weg. Schützen können uns davor nur unsere Gefühle, und die lassen uns - trotz aller Rückschläge - noch immer an die romantische Liebe glauben.
Flirten per Internet kann natürlich jede Menge Spaß machen. Man muss sich nur klar darüber sein, dass das böse Erwachen manchmal erst bei der ersten Begegnung kommt. Wer kann denn schließlich schon wissen, ob der Mann, der sich im World Wide Web als Leonardo di Caprio ausgegeben hat, auch wirklich wie Leonardo di Caprio aussieht?
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