Teil 4: Frau und Mann 2008
Ein neues Jahrtausend, aber alles wie gehabt? Keineswegs, sagen die Experten. Wie sich Männer und Frauen und das Verhältnis zwischen ihnen in den nächsten Jahren entwickeln werden, haben wir in fünf wichtigen Lebensbereichen für Sie zusammengefasst.
Attraktivität:
Groß, jung und schlank bis mager – so lautete das Schönheitsideal am Ende des alten Jahrhunderts. Doch inzwischen sind diese Ideale bis ins absurde Extrem getrieben worden. Dreizehnjährige Hopfenstangen, die der Arzt als lebensgefährlich magersüchtig diagnostizieren würde, werden in immer schnellerem Tempo auf den Laufstegen der Welt verheizt. Auch die typischen Männermodels, gelackte Schönlinge, rufen nur noch geringe Begeisterung hervor. Studien zeigen, dass Männer und Frauen im realen Leben zunehmend andere Schönheitsideale bevorzugen. In den USA rangierten gestandene Frauen wie Sophia Loren oder Hillary Clinton kürzlich in einer Umfrage vor den bekannten Models wie Cindy Crawford. Was in Zukunft stärker zählen wird, sind eine individuelle Ausstrahlung und Gefühle. Die kalten Schönheiten verlieren an Beliebtheit. Auch künstlich vergrößerte Busen oder maskenhaft geliftete Gesichter gelten in Zukunft nicht mehr als geschicktes Selbststyling, sondern als Zeichen mangelnden Selbstbewusstseins. Zwar wird die Zahl der Schönheitsoperationen bei Männern wie Frauen kontinuierlich ansteigen, sie werden aber zunehmend für unauffällige Korrekturen genutzt (von großen Nasen bis hin zu Alterserscheinungen wie Falten und schlaffe Haut) statt für einen Umbau des Aussehens hin zu einem Stereotyp. Selbständigkeit:
Es wird nie mehr Zeiten ohne Arbeitslosigkeit geben, schrieb die französische Erfolgsautorin Viviane Forrester, die vor einigen Jahren die Tendenzen der Arbeitswelt untersuchte. Immer mehr werden ihr Glück mit selbständiger Beschäftigung versuchen. Die Erfolgsaussichten sind gut. Besonders der Telearbeit vom heimischen Computer aus werden gute Chancen prognostiziert. Arbeitgeber sparen teure Büromieten, und die selbständigen Arbeitskräfte können Arbeit und Privatleben flexibel organisieren. Nach aktuellen Umfragen will fast jede zweite Frau, aber nur jeder dritte Mann sich in den nächsten Jahren selbständig machen. Der Zahlenunterschied stimmt mit dem Chancenunterschied überein. Durch die neue Selbständigkeit werden Frauen noch stärker als bisher mit den Männer gleichziehen. Kinderbetreuung und Arbeiten schließen einander nicht mehr aus. In den USA ist die Folge schon klar zu erkennen. Bereits fast jede vierte Frau verdient mehr als ihr Mann (in Deutschland ist es erst jede zehnte) und noch einmal so viele bringen genauso viel wie der Gatte nach Haus (in Deutschland knapp jede fünfte). Singles:
Zur Jahrtausendwende leben 37 Prozent der Deutschen als Singles. Das beweist: Obwohl laut Umfragen das Familienideal eine Wiedergeburt erlebt, steigt die Zahl der Alleinlebenden weiter an. Nicht mehr so stark wie vor zehn Jahren, als die Singles im Kommen waren, aber die Entwicklungsrichtung ist eindeutig. Vor zehn Jahren strebten noch 90 Prozent der Frauen eine Ehe an, jetzt sind es nur noch 70 Prozent – genauso viel wie schon seit längerem bei den Männern. Der Münchener Familienanwalt Hermann Messmer rechnet im neuen Jahrhundert mit einem Anstieg der Scheidungsrate auf bis zu 80 Prozent. Ein weiterer Trend, der das Singleleben fördert: Partnerschaften (mit und ohne Trauschein) dauern immer kürzer an. Die Singlephasen zwischen den Partnerschaften dauern dafür immer länger. Fast jeder hat wenigstens zeitweise Erfahrungen mit dem Singledasein. Leute, die direkt vom Elternhaus in eine lebenslange Ehe wechseln, bekommen Seltenheitswert. In der Tat: Mehr als jeder Dritte kann sich vorstellen, auch als Single glücklich zu werden, und beinahe jede vierte Frau (bei Männern etwas weniger) hält das Singleleben sogar für den idealen Lebensstil. Das hat auch Auswirkungen auf die Ehe. Zunehmend wird Selbständigkeit und Gleichberechtigung Voraussetzung für eine gute Ehe. Das bedeutet: Nur wer allein gut zurechtkommt, kann auch eine gute Ehe führen. Übrigens: Kinderwünsche und Geburtenraten sind weiter im Abnehmen begriffen – keine guten Aussichten für die Renten der Zukunft. Und wenn schon Kinder, dann perfekt programmierter Nachwuchs. Der Evolutionsbiologe Robin Baker vermutet, dass in 60 Jahren schon jedes zweite Kind ohne Sex gezeugt werden wird. Männer- und Frauenideale:
Umfragen der 90er Jahre zeigten, dass Männer wie Frauen ein wenig schmeichelhaftes Bild vom anderen Geschlecht zeichneten. Häufig wurden Männer als machtgeil, zu wenig gepflegt, unsensibel und träge beschrieben. Diese schätzten wiederum die Frauen als anspruchsvolle Egoistinnen, streitsüchtig und zu wenig häuslich ein. Ein Hinweis darauf, dass sich die Ideale schneller änderten als die Wirklichkeit. Doch die Realität holt auf. In jüngsten Umfragen beurteilen beide Geschlechter einander wieder besser. Männer passen sich dem Zeitgeist an, beteiligen sich stärker an der Hausarbeit und akzeptieren Einschränkungen zugunsten der Karriere ihrer Partnerin. Frauen verzichten mehr und mehr auf eine Kampfhaltung, um ihre Bedürfnisse durchzusetzen, und bemühen sich um Gemeinsamkeit und Ausgleich der Interessen. Ein Zurückstellen eigener Wünsche zugunsten der Männer wird es aber kaum noch geben. Die Angleichung von Frauen und Männern setzt sich fort. Im Bereich der Bildung wurde sie inzwischen erreicht. Seit 1999 beenden mehr Studentinnen als Studenten ihren Hochschulbesuch mit einem erfolgreichen Abschluss. Jugend und Wellness:
Lange jung bleiben und sich wohl fühlen – dieses Ideal breitet sich weiter aus. Die Medizin wird neue Möglichkeiten der Gesunderhaltung finden. Aber ohne bewusst gesunde Lebensführung wird es auch in Zukunft nicht gehen. Einige Experten halten eine neue Klassenteilung für möglich: In gebildete Gesundheitsbewusste, die die Chancen unserer reichen Gesellschaft bis ins hohe Alter genießen – und weniger gebildete Leute, die ungesund leben und im Alter leiden müssen. Andere sehen einen allgemeinen Trend der Verjüngung und wachsenden Gesundheitsbewusstseins. Nach einer Studie des Psychologen Richard Sennett sehen 60-jährige Frauen heute so aus wie 50-jährige Frauen vor einem Vierteljahrhundert. Demnach wird die Lebenserwartung weiter ansteigen. Seit kurzem nimmt der Unterschied zwischen Frauen (80 Jahre) und Männern (knapp 74 Jahre) nicht weiter zu, sondern hat sich in den letzten drei Jahren erstmals geringfügig verringert – ein Zeichen für die Angleichung der Lebensverhältnisse. Frauen gehen zunehmend in Stressberufe, Männer entdecken jungerhaltende Lebensfaktoren (weniger Tabak und Alkohol, mehr Sport) für sich.