Schläge & Lust 1

Wie Schläge Lustgefühle erzeugen


Warum Peitsche und Rohrstock bei keiner SM-Session fehlen dürfen – Teil 1


Kaum ein am Sadomasochismus Interessierter, sei er nun aktiv oder passiv, kann sich vorstellen, seine Neigung ohne die Verwendung von Gerte, Rohrstock und Peitsche auszuleben. Schläge üben einen ganz besonderen Reiz aus, den kein Top – diese Bezeichnung beinhaltet hier sowohl den weiblichen als auch den männlichen dominanten Part – und kein/e Sub (der submissive Teil) missen möchte.

Wie der Körper Schläge verkraftet, hängt neben anderen Faktoren sehr von dem gewählten Schlaginstrument ab, von dessen Masse, vom Können des Akteurs und auch von dem Tempo, in dem die Schläge erfolgen. Ferner spielt die Größe der Fläche, auf der das Instrument auftrifft, eine Rolle. Eine Gerte zum Beispiel, die sehr dünn ausgeführt ist und zu den schärferen Geräten zählt, erzeugt eher Striemen. Sie wirkt in der Tiefe, könnte man sagen. Verwendet man jedoch ein schweres Gerät, sind eher Hämatome zu erwarten. Auch verstärkt sich die Gefahr für Organ- oder Knochenschäden, wenn der Top nicht wirklich weiß, was er tut.


Wie sieht die Sache aber nun in unserem Gehirn aus? Was spielt sich ab? Der Schlag trifft auf den Körper und die getroffene Stelle wird sofort stärker durchblutet. Es kommt zu einer Ausschüttung von Botenstoffen, zum Beispiel Adrenalin, die bewirken, dass das ganze System „Alarm ruft“. Der Puls beschleunigt sich, man atmet häufiger, körpereigene Prozesse wie die Verdauung werden verlangsamt. Bleibt es nicht bei einem Schlag, sondern werden kontinuierlich Schmerzreize gesetzt, schüttet der Körper Endorphin aus, das wie eine Droge wirken kann und Ekstase erzeugt. Härtere Schläge sind nach einer gewissen Zeit der Behandlung durchaus erträglich, da nun der Körper „aufgewärmt“ ist. Vergessen Sie nicht, Wasser bereitzustellen, da infolge der Hormonausschüttung ein verstärktes Durstgefühl des passiven Parts zu erwarten ist.

In welcher Intensität man Peitsche, Gerte und Co einsetzen kann, hängt sehr von den beteiligten Personen ab. Eine allgemeine Grenze, die den Trennstrich zwischen lustvoll und absolut unerwünscht zieht, gibt es nicht. Zwar sagt man, Männer seien in der Lage, härtere Qualen zu ertragen, da ihre Haut geringfügig andere Eigenschaften als die der Frau aufweise. Doch ob diese Theorie der Praxis standhält, wird bezweifelt. Frauen verarbeiten zudem oftmals starke Schmerzen in besserer Weise als Männer. Die Annahme, gertenschlanke Personen würden unter Schlägen eher schlappmachen als Menschen mit etwas dralleren Formen, ist ebenfalls nicht unbedingt in Stein gemeißelt. Von all diesen physischen Dingen abgesehen, kommt es auch sehr auf die Erfahrung an, die eine Person im Erdulden der Peitsche oder Gerte hat. Auch hier macht Übung den Meister und Menschen, die ihre Neigung seit Jahren ausleben, ertragen stärkere Schmerzen als ganz junge, an SM interessierte Personen, die eben erst mit Schlaginstrumenten vertraut gemacht wurden.

Worauf es aber vor allem ankommt, sind neben den physischen Faktoren, zu denen noch der allgemeine Gesundheitszustand und der Konsum von Alkohol oder anderen Rauschmitteln zählen, die seelischen Faktoren. Wir wissen es alle: Es gibt Tage, an denen wir einfach nicht wir selbst sind, obwohl nichts Großartiges vorgefallen ist. Wir fühlen uns eben nicht wohl. An solchen Tagen sind Schläge schwerer zu verarbeiten als zu Zeiten, in denen wir uns vollkommen glücklich und entspannt fühlen. Gerade für SM muss der Kopf frei sein. Belastungen erschweren eine SM-Session und führen oft zum Abbruch, da der passive Part sich nicht fallen lassen kann. (Auch der Top agiert anders, wenn er unter Stress steht oder sich mit Problemen herumschlägt.)

Schläge verändern die Empfindsamkeit der Haut, sie machen sie aufnahmebereiter für Reize als „unbehandelte“ Körperstellen. Deswegen setzen viele Tops Eiswürfel, Federn oder auch Wachs ein, um gewisse Reaktionen herbeizuführen, die eben nur nach Schlägen in dieser Weise auszulösen sind. Eine beliebte Variante ist, nachdem der Körper bereits Striemen oder Hämatome zeigt, Wachs über ihn zu tropfen oder zu gießen, und dieses später mit einer Peitsche oder einem anderen Instrument wieder „abzuschlagen“.

Die Emotionen, die durch eine Flagellation (also durch Schläge) ausgelöst werden können, sind ganz unterschiedlich. Tränen aus Schmerz aber auch aus Freude sind ebenso möglich, wie Selbstmitleid, all das ertragen zu müssen, oder Freude bis hin zu Lachkrämpfen, denen eine Art Reizüberflutung vorangeht. Einige passiv agierende Personen sind auch in der Lage, einen Zustand zu erreichen, in dem es scheint, sie wären nur mehr körperlich anwesend. Der englische Begriff hierfür lautet flying und der Top kann in dieser Situation nur selten das Spiel steuern, da der/die Sub oft nicht mehr auf seine/ihre Außenwelt reagiert. Ein für den/die Sub durchaus ekstatisches Gefühl, das jedoch auf den dominanten Part oft erschreckend wirkt, da er plötzlich sozusagen eine Puppe in Händen hält.

Lesen Sie im nächsten Teil, warum Menschen daran Gefallen finden, geschlagen zu werden oder zu schlagen. Was treibt den Top an, es zu genießen, den Körper seines/seiner Sub mit Striemen zu überziehen? Weshalb gerät eine Person bei Handlungen in Ekstase, die andere Menschen nur abstoßend finden?


Antworten auf diese Fragen erhalten Sie im Teil 2!

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