Unfreiwillig Single?
Alleinleben ist kein Makel mehr, sondern wird oft als Chance zur Selbstverwirklichung gesehen. Aber so mancher Single lebt unfreiwillig ohne Partner. Wer unter dem Alleinsein leidet, kann Kontaktanzeigen schalten, im Internet chatten oder «auf die Piste gehen» - und dennoch erfolglos bleiben.
Frauen und Männer erleben ihre Partnerlosigkeit allerdings sehr unterschiedlich
Vorwiegend weibliche Singles wählen diese Lebensweise aus freien Stücken, sagt der Psychologe Andreas Hejj von der Universität München. Allein leben bedeutet für sie, selbstständiger und autonomer zu sein als mit einem Partner. Männer hingegen betrachten es häufig als Durchgangsstadium, das so bald wie möglich beendet werden soll. Aber das Glück der Zweisamkeit will unfreiwilligen Singles nicht immer gelingen. Die unterschiedlichsten Gründe können im Weg stehen, beobachtet der Psychologe Peter Groß aus Köln. Je länger jemand allein gelebt hat, desto schwieriger gestaltet sich die Partnersuche - vor allem mit zunehmendem Alter. «Bei Älteren sind die Gewohnheiten sehr ausgeprägt. Man hat sich sein Leben so einfach wie möglich gestaltet und weiß auch, wie es geht», sagt Groß. «Und da kommt jetzt jemand und wagt, es anders zu machen.» Schon Kleinigkeiten können als mangelnder Respekt vor persönlichen Eigenheiten empfunden werden. Eine Liebesbeziehung von Dauer fordert jedoch Kompromisse. «Jede Partnerschaft bringt Veränderungen mit sich, die Dauer-Singles grundsätzlich schwer fällt», sagt die Psychotherapeutin Alexandra Hipfner-Sonntag aus Freiburg. Obwohl der vertraute Tagesablauf nicht selten mit Unzufriedenheit über das Alleinsein verbunden sei, bedeute er Stabilität. Auch wenn über die eigene Lebenssituation gejammert wird, erlebt die Therapeutin oft, dass keine Bereitschaft für eine wirkliche Veränderung da ist. Manches Rendezvous erweise sich als Pseudo-Verabredung, weil Mann und Frau unbewusst den Status erhalten wollen: «Sie wollen dann auf Biegen und Brechen zwar jemanden kennen lernen, haben aber in ihrem Leben eigentlich keinen Raum für einen anderen Menschen.» Bisher Erfolglose, die sich schon lange einen Partner wünschen, scheitern nach Aussage von Peter Groß meist am Klammereffekt. Je länger die Entbehrung gedauert habe, desto größer seien die Verlustängste. Um sicher zu sein, dass der andere einen wirklich liebt und nicht verlässt, soll möglichst jede freie Minute zusammen verbracht werden. Ein Fehler, der nach Erfahrung des Psychologen häufig gemacht wird: «Diese Singles marschieren von einer Enttäuschung in die andere.» Denn Liebe basiere auf Freiwilligkeit. Auch Angst vor zu viel Nähe kann manchen Dauer-Single davon abhalten, einer längeren Beziehung eine Chance zu geben. Hinter dem Argument, die vermeintliche Freiheit zu sehr einschränken zu müssen, stecke die Angst, als Persönlichkeit unterzugehen, sagt Groß. Nicht selten steht auch der Traum vom Idealpartner im Weg, mit dem das eigene Leben besser werden soll.
«Retterfantasien sind weit verbreitet», sagt Alexandra Hipfner-Sonntag
Mit unrealistischen Erwartungen überschüttet, ist jede neue Bekanntschaft bald entzaubert. Über die Gründe des Alleinseins sollten laut Professor Andreas Hejj diejenigen nachdenken, die unglücklich mit ihrem Single-Dasein sind. Zu fragen sei beispielsweise, ob die derzeitige Lebensform freiwillig gewählt wurde oder angstbesetzt sei. Wichtig sei es, aus den eigenen Anteilen zu lernen, die frühere Beziehungen scheitern ließen. In der Regel müsse nicht ein vermeintlich unattraktives Äußeres, sondern die Beziehungsfähigkeit verbessert werden, so Hejj.
«Wer nichts riskiert, der bleibt allein», sagt Peter Groß.
Er rät, nicht auf den Ritter oder die Fee zu warten, sondern die Initiative zu ergreifen. «Dagegen wird regelmäßig verstoßen.» Vorher sollte jedoch klar sein, ob man wirklich sucht - und wen man suchen will. Unabdingbar sei dabei, trotz zurückliegender Enttäuschungen wieder Vertrauen zu schöpfen. «Wer auf Suche ist, muss Vertrauen investieren und bereit sein, den Schmerz auszuhalten, wenn es wieder daneben geht», sagt der Therapeut. Enttäuschungen seien dabei verkraftbar, denn schmerzhafte Gefühle vergehen mit der Zeit. Nicht selten fehlt das Vertrauen in eine neue Liebe. Hilfreich ist es, eigene Verlust- und Bindungsängste zu erkennen und Stärken zu entwickeln. Denn kaum jemandem hat es bisher geholfen, einfach auf den Prinzen oder die gute Fee zu warten. Dabei ist das Single-Dasein inzwischen normal geworden: Während noch vor Jahrzehnten unverheiratete Männer und Frauen als skurrile Junggesellen oder alte Jungfern galten, verloren Singles in den siebziger Jahren ihr negatives Image. Von Jahr zu Jahr nimmt die Zahl der Single-Haushalte zu, vor allem in den Großstädten. Im April 2006 zählte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mehr als 14 Millionen allein Lebende. Dabei dominiert die Gruppe der ledigen Singles - knapp geführt von den 25- bis 30-Jährigen - vor den getrennt Lebenden, Geschiedenen und Verwitweten.
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